Was macht MMOs interessant? Teil 2: Genremix

Vergangene Woche haben wir einen Blick auf die Wichtigkeit der Welt in MMOs gesprochen. Das ist vielleicht ein Punkt, in dem die Meinungen auseinander gehen: ist die Welt und das Weltgefühl wirklich einer der wichtigsten Punkte, die ein MMO erfüllen sollte? Schließlich sind durchaus auch einige Spiele „gescheitert“, trotz super Worldbuilding (Wildstar und Vanguard, um zwei zu nennen, die tatsächlich geschlossen wurden). Diese Diskussion verschieben wir mal auf später.
In dieser Woche möchte ich auf eine andere wichtige Eigenschaft von MMOs blicken: ihr Dasein als Genremix.
MMOs wollen mehr
Bei den meisten Spielen ist es relativ egal, wie häufig ihr einloggt und wie schnell ihr Inhalte bewältigt. Idealerweise kaufen wir DLCs natürlich dennoch direkt bei Veröffentlichung, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch teuer sind. MMORPGs allerdings profitieren sehr stark davon, wenn wir
- regelmäßig einloggen
- am „Ende“ des Contentcycles ankommen, spätestens dann, wenn neue Inhalte für das Spiel veröffentlicht werden
- wir dort einen Freundes- / Bekanntenkreis aufbauen, vielleicht auch innerhalb einer oder mehrerer Gilden vernetzt sind.
MMORPGs hätten es am liebsten, wenn wir jeden Tag standardmäßig einloggen, unabhängig von unserer aktuellen Stimmungslage oder Spiellust allgemein. Zu Release hat World of Warcraft es quasi perfektioniert, uns dazu zu verleiten, quasi ständig WoW zu spielen. Nun war 2004/2005 eine andere Zeit: so viel war neu für die Meisten: dass man andere in einer persistenten Welt sah, dass die Welt nicht grottenübel aussah und das Gameplay nicht zu kompliziert- easy to learn, hard to master. Darum war dann auch „WoW-Sucht“ in den Jahren danach ein großes Thema.
Spricht heute keiner mehr von, weil wir heute alle Social Media süchtig sind, aber das ist ein anderes Thema. Die genutzten Hebel waren damals aber durchaus ähnlich. Nun soll Genrekritik an dieser Stelle nicht das Thema sein. Damit wir Lust haben, uns regelmäßig in ein MMORPG einzuloggen, sind ein paar Dinge hilfreich: verschiedene Spielweisen in Inhalt, Tempo und Sessionlänge, eine Verbindung zu Anderen und Entwicklungsmöglichkeiten für Avatare.
Auswahl an Spielweisen
Fragt einen Fan von MMORPGs, wie es um das Genre steht. Die Chance ist relativ hoch, dass er oder sie sagt, dass schon lange kein gutes MMORPG mehr veröffentlicht wurde. Meiner Ansicht nach liegt diese Wahrnehmung vor allem daran, dass sie sich zu einer Art Action RPG entwickelt haben. Im Grunde eine ewig lange Reihe an Quests, deren Beschreibungstext man nicht liest. Man nimmt sie an, folgt dem Questfinderpfeil, gibt sie ab und nimmt das nächste. Storyrelevantes erkennen wir an Cutscenes. Der Höhepunkt soll dann im Endgame kommen, üblicherweise in Form von instanziierten Inhalten für kleinere und größere Gruppen. Diese Inhalte können wir ganz gut semi-anonym bestreiten, Dungeonfinder und Schwierigkeitsgraden sei Dank.
Natürlich enthalten alle MMORPGs Elemente, um das Tempo abwechslungsreich zu halten. Es gibt Crafting und häufig auch irgendeine Form von Handel. Man wird aber leider festhalten müssen, dass diese Elemente häufig nicht alleine tragen, sondern in irgendeiner Verbindung zu PvE-Inhalten stehen. Für ein bestimmtes Handwerksmaterial muss man dann halt doch in diese oder jene Gegend, oder diese und jene Mobs töten. Hergestellte Waren lassen sich indes aber häufig nicht zum gleichen Preis verkaufen wie die hierfür verwendeten Rohstoffe. Wenn man sich sehr bemüht, kann man in World of Warcraft und Guild Wars 2 Auktionshaus-PvP betreiben, es geht.
Ja, ich möchte Onkel Owen sein (manchmal)
Ein gutes MMO erlaubt mir ein Dasein als Händler, Handwerker, Abenteurer, Gelehrter, Bauer usw.- es erlaubt mir, das Spiel mal als Action RPG, ein anderes Mal als Strategiespiel oder Handelssimulation und wieder ein anderes Mal vielleicht als Walking Simulator zu spielen- oder sogar als Rollenspiel, in dem mir Dialogoptionen, verzweigte Handlungsstränge oder ähnliches geboten werden. Diese Dinge müssen funktional auf eigenen Beinen stehen können, nicht repetetiv sein und die Spielenden nicht zu Tode langweilen.
Ein richtig gutes MMORPG erlaubt es mir, Meta-Rollen einzunehmen. In EVE kann man „Journalist“ werden- oder, weit bekannter geworden- Casinobesitzer.
Gute Beispiele sind hier EVE Online, Black Desert Online und vielleicht bis zu einem gewissen Grad auch Elder Scrolls Online & Guild Wars 2. Bei ESO muss man dann halt bereit sein, einer Handelsgilde beizutreten, man muss die Preise verschiedener Gildenhändler vergleichen. Dies ist über externe Tools möglich, aber das ist suboptimal, weil man diese Infos eben außerhalb des Spiels einsammelt.
Auch Housing kann einen wichtigen Faktor in der Diversifizierung spielbarer Inhalte bieten- ich bevorzuge einen halb instanziierten, halb in der offenen Welt befindlichen Ansatz, wie er in Black Desert Online und Elder Scrolls Online gefahren wird.
Dies ist auch der wichtigste Unterschied zu den „neueren“, spezialisierten Genres wie Survival- einen Händler zu spielen dürfte schwierig sein, wenn die Serverbevölkerung im zwei- oder sehr niedrigem dreistelligen Bereich liegt. Häufig fehlen auch NPCs, die eine Funktion haben, die über das Verringern des Grinds hinausgehen. Glaube ich, ich mag mich da nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen, da meine Erfahrungen in Survivalspielen begrenzt sind.
Support verschiedener Sessionlängen
Es gibt MMOs, die ich gar nicht erst starte, wenn ich wenig Zeit habe (sagen wir, weniger als 45 Minuten), weil mir nichts Sinnvolles und Spaßbringendes einfällt, was ich in einer kurzen Session dort erledigen könnte. Oder weil ich alleine, trotz SSD usw., 5 Minuten brauche, um überhaupt in der Spielwelt anzukommen. Ein positives Beispiel ist hier Guild Wars 2: man ist wirklich schnell im Spiel, und einmal drin kann man viele verschiedene Dinge tun, die nicht so viel Zeit beanspruchen.
MMOs sollten etwas zu bieten haben, was auch in kleineren Häppchen interessant zu tun ist- in 30 Minuten könnte ich ein paar Dinge herstellen, irgendwas ins Auktionshaus packen, kleinere Aufgaben erledigen oder von A nach B reisen. Oder mein Haus dekorieren. All das kann durchaus interessant sein. Das offensichtliche Gegenargument ist natürlich: in 30 Minuten schafft man heutzutage in beinahe jedem MMO einen Dungeongang. Da bleibt mir persönlich nur, auf Subjektivität zu verweisen: ich bin nicht so der Dungeontyp. Und in der Regel, wenn ich glaube, dass ich nur kurz Zeit oder Lust habe zu spielen, dann bin ich vermutlich auch gerade nicht in Stimmung, anspruchsvolle Inhalte mit Anderen zu bestreiten. Zudem, was, wenn ich wirklich nur 30 Minuten Zeit habe und der Dungeonrun dann doch länger dauert?
Für kurze Sessions kann ich persönlich hauptsächlich Guild Wars 2 empfehlen, wobei auch solofreundliche MMOs wie Star Wars: the Old Republic, aber auch Black Desert Online durchaus in kurzen Zügen attraktiv sein können- wobei beide in der Ladezeit erheblich im Nachteil sind, verglichen mit Guild Wars 2.
In längeren Sessions sind viele MMORPGs toll. Elder Scrolls Online aber blüht besonders auf, wenn man dem Spiel regelmäßig längere Sessions gönnt. Dann zeigt es seine Stärken und macht Lust auf mehr.